… musste das (wirklich) gesagt sein ?
Da gibt es den Bundestagsabgeordneten der CDU, Philipp Lengsfeld. Er äußert sich u.a. auch bei Twitter. Dabei ist er im Gegensatz zu manch anderen seiner Abgeordneten- und FraktionskollegInnen eigentlich nicht dafür bekannt, drauf zu hauen, zu polarisieren, mit starken Worten auftrumpfen zu wollen. So machte er auch am 9. Oktober 2015 eine scheinbar nüchterne Rechnung auf:
Einfach nur Zahlen: >10.000 am Tag, bedeutet ~ 1 Million in drei Monaten ~ 3.3 Millionen bis zur Berlinwahl und ca. 7 Mio bis zur BT-Wahl
— Philipp Lengsfeld (@PLengsfeld) 9. Oktober 2015
Dieser Tweet blieb nicht ohne Echo, zustimmend (teilweise sehr zustimmend, um es mal vorsichtig zu sagen) und ablehnend. Auch Social Hub Bundestag retweetete, verbunden mit einer konkreten Frage:
#wirschaffendas, oder zweifeln Sie ? https://t.co/Y3fVPL68IP — Social Hub Bundestag (@socialhubBT) 9. Oktober 2015
Und u.a. Victor Fuchs (@victor5679) argumentierte umfangreich gegen Philipp Lengsfelds Zahlenwerk: Nun hätte man – optimistisch – erwarten können, dass Philipp Lengsfeld angesichts der Brisanz des Themas und der sachlichen Einwendungen von Victor Fuchs zumindest ansatzweise zu dessen Argumentation Stellung nehmen würde. Doch weit gefehlt: Zwar wurde Philipp Lengsfeld noch mal an den Vorgang erinnert …
.@victor5679 Jetzt #schaunmermal, ob und ggf. was der @PLengsfeld dazu sagt. #MdB #Bundestag — Social Hub Bundestag (@socialhubBT) 9. Oktober 2015
.@PLengsfeld Hatten Sie zwischenzeitlich Gelegenheit,Ihre gestrige Rechnung noch mal zu überprüfen ? cc @victor5679 https://t.co/Y3fVPL68IP — Social Hub Bundestag (@socialhubBT) 10. Oktober 2015
… aber eine Stellungnahme blieb bis jetzt aus. —
Nun hatte Philipp Lengsfeld in der Vergangenheit schon so manche Twitter-Konversation mit Victor Fuchs. Und wenn man sich diese Konversationen betrachtet, fühlte sich Philipp Lengsfeld insoweit zuletzt (Ende September 2015) wohl etwas genervt. Andererseits hatte sich Victor Fuchs ja schon Mühe gegeben, via Twitter eine ganze Reihe von sachlichen Gegenargumenten zu formulieren. Und man darf Philipp Lengsfeld auch unterstellen, dass er mit seinem Tweet eine Diskussion anregen wollte … was auch sonst ?
Dass er hierzu dennoch bis heute geschwiegen hat, ist auf der einen Seite kein Beinbruch, auf der anderen Seite aber schon erwähnenswert: Betrachtet er Twitter als Litfasssäule, an die man alles Mögliche hinklebt, oder nutzt er es als Kommunikationsmedium, was wohl eigentlich näher liegend wäre ?
Und was bezweckte er mit einem Tweet, in dem man ein simples (zu simples?) Flüchtlings-Zahlenspiel veröffentlicht ? Wollte er eine Diskussion anwerfen ? Wollte er – was m.E. bemerkenswert und kritikwürdig wäre – damit auf Stimmenfang gehen ? Oder hatte er das aus einer Stimmung/Laune heraus mal kurz hochgerechnet und vor lauter Begeisterung ob der beeindruckenden Ergebnisse gleich mal auf Twitter geschickt ?
Wie auch immer, es hätte Philipp Lengsfeld m.E. gut angestanden, sich einer Diskussion über seinen Tweet zu stellen, statt ihn und die Reaktionen hierauf unkommentiert im Raum stehen zu lassen. Wer in einer derzeit sehr schwierigen Situation eine derart triviale und vielleicht gerade deshalb provozierende Rechnung aufmacht, sollte auch bereit sein, sich mit Kritik auseinanderzusetzen. …
… oder einzuräumen, dass der Tweet nicht gerade zu den Sternstunden des Philipp Lengsfeld gehörte. Er hätte ja auch noch bis zur Bundestagswahl 2021 weiter rechnen können. Mit dem Ergebnis, dass er bis dahin auf eine Flüchtlingszahl von sage und schreibe zusätzlich ca. 14,6 Mio. gekommen wäre, was dann unter Hinzurechnung „seiner“ 7 Mio. zu einem Gesamtergebnis von ca. 21,6 Mio. geführt hätte. Er hätte das auch noch weiter ausführen können, z.B. dahingehend, dass die Bundesrepublik Deutschland bis 2021 also ca. 100 Mio. Einwohner haben würde und einen Flüchtlingsanteil von ca. 20 %.
Wie auch immer, das Thema ist m.E. zu ernst, um sich in dieser Form damit zu beschäftigen. Die Haltung der Kanzlerin ist eher zu optimistisch, und das wird sie als realitätsorientierte Frau im Zweifel auch wissen. Wieso beharrt sie also auf dem bedingungslosen #wirschaffendas ? Horst Seehofer wäre gut beraten, seinen Einfluss massiv GroKo-intern geltend zu machen, statt ein weiteres Mal auf die Pauke zu hauen und sich anschließend vorwerfen lassen zu müssen, dass alles nur heiße Luft war. Und Sigmar Gabriel dürfte seine Ratlosigkeit und das Bestreben, aus dem Dissens Merkel-Seehofer für die SPD Kapital zu schlagen, ruhig einräumen, statt auf Bettina Schaustens durchaus berechtigte Fragen (wie schon manches andere Mal) mit Journalistenschelte der einfacheren Art zu reagieren.
Manchmal ist es auch ratsam, einfach zu schweigen und die ganze Energie auf die Suche nach Lösungen zu richten. Also, Philipp Lengsfeld: Entweder twittern und sich „direkt mitten“ in die Diskussion stellen, oder es bleiben lassen, dann provoziert man auch keine Diskussion. Andernfalls bleiben offene Fragen zurück, und gerade diese offen gebliebenen Fragen sind es, die dann ein G’schmäckle hinterlassen.