… Politik und Statistik …
Der Reihe nach: Aktuell gibt es für Deutschland sehr positive Konjunkturprognosen. Das Bruttosozialprodukt soll signifikant steigen. Damit sollen/werden auch die Steuereinnahmen steigen. Und sofort ist eine Diskussion entfacht, darüber, wie mit den Mehreinnahmen verfahren werden soll:
- Investition in öffentliche Projekte ?
- Steuersenkung ?
- Senkung der Sozialabgaben ?
Egal wie, es lohnt sich bei politischen Versprechen, die Belastung der Bürger zu senken, immer, genau hinzusehen.
Beispiel Krankenversicherungsbeitrag: Im Jahr 2014 wurde die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags in die Wege geleitet und umgesetzt. Minister Gröhe wies im März 2014 auf Twitter allzu gerne auf einen Beitrag im Deutschlandfunk hin, wo er – man muss genau lesen und hinhören – auf „Chancen zur Beitragssenkung“ hinwies und auf die Aussicht auf Beitragssenkungen, die auch „zur Preissenkung für die Versicherten“ führen könnten.
Mein Deutschlandfunk-Interview zum Entwurf eines Finanzierungs- & Qualitätsgesetzes für die Krankenversicherung: http://t.co/L3BJHRTlUB
— Hermann Gröhe (@groehe) 26. März 2014
Ja wie, möchte man Fragen, gibt es denn auch Beitragssenkungen, die nicht zu einer Preissenkung für die Versicherten führen ?
Aber weiter der Reihe nach:
Schaut man sich heute nach einer Statistik über die Entwicklung der Krankenversicherungsbeiträge um, landet man ganz schnell bei dieser hier, veröffentlicht bei Statista:
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Und siehe da: Der Beitragssatz in der Krankenversicherung ist von 2014/15,5% auf 2015/14,6% gesunken. Also: Beitragssenkung versprochen, Versprechen gehalten, Gröhe und GroKo zufrieden, Versicherte auch zufrieden ?
Recherchiert man noch ein bißchen weiter, landet man bei einer weiteren Statistik zum Thema, diesmal bei statistik-bw.de. Dort wird – im Gegensatz zu statista.de, für 2015 unverändert ein Beitragssatz von 15,5% ausgewiesen:
Welche Statistik ist also falsch ?
Falsch ist wohl keine der Statistiken, allenfalls unvollständig, und damit zumindest irreführend oder verfälschend. Die Auflösung gibt es in der Fußnote 10 der baden-württembergischen Statistik:
Es gibt also – teilweise bekannt, teilweise auch nicht – den Zusatzbeitrag, der parallel zu Beitragssenkung eingeführt wurde. Dieser Zusatzbeitrag gibt den Krankenkassen – wie der Namen schon sagt – die Möglichkeit, einen zusätzlichen Beitrag zu erheben. Ob eine Krankenkasse das macht, entscheidet sie selbst, im Rahmen der weitreichenden gesetzlichen Vorgaben natürlich. Die Möglichkeit, einen Zusatzbeitrag zu erheben, tritt seit 1. Januar 2015 an die Stelle des bisherigen Sonderbeitrags, der vom Arbeitnehmer allein zu bezahlen war. Aber: Auch der Zusatzbeitrag ist vom Arbeitnehmer allein getragen.
Jetzt versteht man, wieso die Beitragssenkung dem Versicherten nach Minister Gröhe nur die „Chance auf Beitragssenkung“ gab, nämlich abhängig von der Entscheidung einer Versicherung, den Zusatzbeitrag zu erheben oder es nicht zu tun.
Und wie sieht es tatsächlich aus ?
Die Krankenversicherungen haben – nicht ganz unerwartet – von der Möglichkeit, trotz voller Kassen einen Zusatzbeitrag zu erheben, zahlreich Gebrauch gemacht, wie man dieser Liste entnehmen kann.
Die Versicherten können/müssen jetzt – wie bei Strom, Telefon, anderen Versicherungen – auch bei der Krankenversicherung vergleichen, welche Versicherung gerade keinen oder einen geringeren Zusatzbeitrag erhebt. Veröffentlichungen entsprechender Vergleiche gibt es bereits.
Damit ist jedenfalls theoretisch der Wettbewerb unter den Krankenkassen gefördert, stimmt. Jedenfalls so lange, wie Krankenkassen sich nicht abstimmen (Kartellrecht ?) und flächendeckend den Zusatzbeitrag von 0,9 % erheben (Tendenz bereits erkennbar). Dass man die gesetzliche Krankenversicherung im Gegensatz z.B. zur Stromversorgung aus verschiedenen Gründen weniger leicht und schnell wechselt, ist und bleibt das Problem der Versicherten.
Letztlich wird es also jedenfalls nicht flächendeckend zu einer Entlastung der Versicherten kommen, das ist jetzt schon absehbar. Genau werden wir das aber erst feststellen können, wenn uns die tatsächlichen Beitragsstatistiken für 2015 ff. präsentiert werden. Mal sehen, was uns Statista dann zu diesem Thema liefert.