Gestern fand eine weitere Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum Fall Edathy statt. Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Vernehmung von Michael Hartmann (MdB), dessen erste Aussage den Aussagen von Sebastian Edathy zu der Frage, wann und wie Edathy durch wen über die gegen ihn laufenden strafrechtlichen Ermittlungen informiert wurde, diametral widersprach.
Nachdem sich durch die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse der Verdacht erhärtet hatte, dass die Aussagen Hartmanns möglicherweise nicht (ganz) der Wahrheit entsprochen haben könnten, wurde dessen Auftritt gestern allseits mit Spannung erwartet.
Tatsächlich erschien dann jedoch zunächst nicht Michael Hartmann, sondern sein Anwalt, der eine längere schriftliche Stellungnahme verteilte und verlas. Den Inhalt dieser Stellungnahme kann man den Ablichtungen entnehmen, die Thomas Walde (ZDF) über Twitter verbreitete:
Hoffe man kanns lesen. Brief v Hartmann Anwalt an Ausschuss Teil 1 pic.twitter.com/Ss5ZalLMPL
— ThomasWalde (@ThomasWalde) February 5, 2015
Hartmann Teil 2 pic.twitter.com/TWdzeRgru7 — ThomasWalde (@ThomasWalde) February 5, 2015
U Teil 3 und Schluss pic.twitter.com/uhni8H7GOl
— ThomasWalde (@ThomasWalde) February 5, 2015
Michael Hartmann befürchtet also, sich durch eine (wahrheitsgemäße) Aussage selbst zu belasten, sei es wegen des Verdachts der (versuchten) Strafvereitelung oder wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage. Dass er in diese Situation gekommen ist, hat er sich selbst zuzuschreiben. Dass er ausschließlich im Eigeninteresse gehandelt hat, scheint für den unbefangenen Beobachter eher zweifelhaft zu sein.
Zu offensichtlich ist die potenzielle Auswirkung bestimmter Aussageinhalte auf einen Teil der Führungsriege der SPD. Da wäre es für Michael Hartmann doch zu schön gewesen, diesen Leuten – aus eigenem Antrieb oder in Absprache – ein bißchen aus der Patsche zu helfen. Zumal auf diesem Weg die Möglichkeit bestanden hätte, sein nach den Crystal Meth Vorwürfen sicherlich angeschlagenen innerparteiliches „Standing“ etwas aufzupolieren. Wie praktisch das gewesen wäre, alle in einem Boot, mal abgesehen von den neuen „Leichen im Keller“.
Um es deutlich zu sagen: In diesem Fall ist es die SPD, es könnte aber nach Lage der Dinge auch jede andere Partei betreffen. Parteien und Politiker sind immer wieder mal bereit, ihre eigenen Interessen an Macht und Machterhalt über das Recht zu setzen. Dass das nicht funktioniert, müssten sie eigentlich wissen. Zum Beispiel aus den Fällen Barschel, Engholm, Möllemann und Kohl sollten sie gelernt haben, dass früher oder später alles ans Licht kommt. Bleibt die Frage, wann sie daraus wirklich etwas lernen und sich unabhängig von Fragen der Legalität und Legitimität auch mal vergegenwärtigen, wie solches – Verzeihung – Schmierentheater auf die Bevölkerung wirkt.
Vorwurf Kinderpornografie, Gedächtnislücken, Aussageverweigerung. Wenn Gabriel Politikverdrossenheit bekämpfen will kann er in SPD anfangen
— ThomasWalde (@ThomasWalde) February 5, 2015
Was man jetzt schon sagen kann: Auch mit dem Fall Edathy und allem, was sich darum herum abgespielt hat (und noch abspielen wird ?), hat die Politik sich und der Bevölkerung einen Bärendienst erwiesen.
Vielleicht denken die Parteien darüber mal nach. Auf diesem Weg finden sie vielleicht auch die Antwort auf die Frage, wieso es Strömungen und Erscheinungen gibt, die in AfD oder Pegida münden.